Winterstarre

Die Überwinterung der Europäischen Landschildkröten ist genau genommen eine Winterstarre (Hibernation) und zwingt uns Warmblüter Mensch, die Gefühle und das dadurch entstehende Mitleid für diese armen Kreaturen, die jetzt für Wochen und Monate im kalten Keller verbringen müssen, ganz ohne Nahrung und Licht, auszuschalten und dafür den Kopf einzusetzen. Die Angst der Menschen schadet und quält die Schildkröte. Bereits im Laufe des Monats August, wenn wir hier noch hochsommerliche Temperaturen haben, schaltet der Organismus der Schildkröte bereits auf die Vorbereitung für den Winterschlaf um. Die Fette werden anders gespeichert und es werden die Reserven für den bevorstehenden Winterschlaf "gebunkert". Aufgrund der immer kürzer werdenden Tage und die immer größer werdenden Temperaturgefälle zwischen Tag und Nacht bereiten sich die Tiere unwillkürlich darauf vor. Sie können beobachten, dass die Tiere immer träger werden, dass die Fresslust ständig mehr abnimmt und die Tiere sich öfters und früher verkriechen und nicht mehr soviel und so lange "auf den Beinen" sind. Sollte das Wetter im Monat September bereits sehr schlecht sein, schalte ich für einige Stunden eine Wärmelampe ein, damit die Tiere noch
am Futter bleiben. Es ist absolut sinnvoll darauf zu achten, dass die Nachttemperaturen im September sich in der Unterkunft auf ca. 15 Grad halten, damit die Tiere nicht vorzeitig in die Winterruhe "fallen". Im Laufe des Oktobers werden Sie von Ihren Tieren nicht mehr viel zu sehen bekommen. Sie verbuddeln sich im Substrat ihrer Unterkunft. Die eine früher, die andere später.

Wir lassen unsere Tiere im Herbst alleine in die Winterruhe gehen und wirken zunächst nicht ein. Erst wenn sich die Tiere mehrere Tage lang hintereinander nicht mehr blicken lassen, bringen wir unsere Tiere in die vorbereiteten Kisten. Wir füllen diese Kisten mit einem feuchten Gemisch aus Rindenhumus mit Sand in einer Höhe von ca. 10 cm. Dann setzen wir das Tier in die Kiste und überdecken es nochmals mit einer dicken und feuchten Schicht Herbstlaub. Danach bringen wir die Tiere in den ruhigen Keller. Die empfohlene Temperatur liegt bei ca 7°Grad, da die Tiere in diesem Temperaturbereich völlig inaktiv sind und der Stoffwechsel läuft auf absoluter "Sparflamme". Damit baut das Tier kein Fett ab. Für eine erfolgreiche Überwinterung ist die Feuchtigkeit des Substrats von größter Bedeutung, damit das Tier nicht vertrocknet. Deshalb sollte immer wieder zwischendurch nach dem Substrat geschaut werden. In diesem Zusammenhang kann man dann auch gleich die Tiere überprüfen. Hierzu stupsen wir kurz das Hinterbein des Tieres an, wenn alles in Ordnung ist, zieht es
dieses sofort ein. Wir gehen davon aus, dass die meisten Todesfälle während des Winterschlafs auf ein zu trocken gehaltenes Substrat oder zu warmer
Umgebungstemperatur zurückzuführen sind.

Eine Freilandüberwinterung lehnen wir grundsätzlich ab. Die Gefahr, dass die Tiere durch Ratten und Mäuse Schaden nehmen ist sehr hoch, zum anderen müssten sich die Tiere sehr tief eingraben, damit sie keinen Frostschaden erleiden. Wir können uns nicht vorstellen, dass unsere Tiere sich tief genug in den harten Boden eingraben können. Eine Überwinterung im Frühbeet erfordert ebenfalls den Aushub einer tiefen Mulde, damit die Tiere tief genug liegen. Eine regelmäßige Kontrolle wie bei einer Kellerhaltung ist so nicht möglich. Sobald jedoch ein paar warme Tage kommen und die Sonne auf das Frühbeet scheint, besteht die Gefahr, dass das eine oder andere Tier aufwacht. Hierzu müsste das Frühbeet entsprechend abgedeckt werden.

Im Laufe des Monats März sollten die Schildkröten öfter kontrolliert werden, da ihre innere Uhr das "Aufwachen" ankündigt. Aus meiner Erfahrung heraus ist es im Laufe des Aprils dann so weit. Die Tiere werden unruhig und bewegen sich in der Kiste. Wir stellen diese dann an einen helleren und wärmeren Platz im Keller, nehmen den Deckel ab und warten, bis die Tiere langsam aber sicher durch das Laub nach oben kommen. Wir belassen die Tiere noch einen Tag in der Kiste an diesem Ort. Danach setzen wir sie in ein lauwarmes Bad, damit sie ihren Flüssigkeitsbedarf decken können. Anschließend bringen wir die Tiere in
ihr Frühbeet oder Unterkunft. Die meisten Tiere erwachen relativ schnell und zeigen sich nach kurzer Zeit wieder recht "fit". Für diesen Vorgang brauchen manche Tiere eben etwas länger, bei anderen wiederum geht es sehr schnell. Sowie die Tiere aktiv geworden sind, wird die Fütterung wieder aufgenommen. Nicht alle Schildkröten fressen sofort nach dem Aufwachen.

Den Gedanken, Ihr Jungtier nicht in den Winterschlaf zuverbringen, verwerfen Sie bitte ganz schnell, darüber dürfen Sie nicht einmal nachdenken. Gerade bei Jungtieren ist der Winterschlaf besonders wichtig und nötig. Er ist die Grundvoraussetzung für ein kräftiges und gesundes Tier und sichert ein gleichmäßiges und schönes Panzerwachstum. Nach dem Winterschlaf machen meine Nachzuchten immer einen besonderen Wachstumsschub und entwickeln
sich prächtig und sind robust. Der Winterschlaf wird hier nur entsprechend verkürzt. Wir halten unsere Schlüpflinge, wenn die Nächte kalt werden nur in der Nacht im Terrarium, den Tag verbringen die Babys im Freigehege/Frühbeet und tanken dort ihre Sonne. Während der kalten Jahreszeit werden diese
Tiere im Terrarium gehalten und nur für den Winterschlaf für ca. 6 Wochen in den Keller unter den gleichen Bedingungen wie die "Alt Tiere" verbracht.

Ca. 1 Woche vor Beginn des Winterschlafs bieten wir den Tieren kein Futter mehr an. In dieser Zeit baden wir die Kleinen noch 1-2 mal, damit sie Kot absetzen können und somit ihren Darm entleeren. Meine 2-jährigen Nachzuchten verbringen ihre Zeit bis zum Winterschlaf genauso wie die großen Tiere im Freigehege und erleben den ersten Herbst in "vollem Umfang", danach kommen die Tiere ebenfalls bis Ende Dezember in den Keller. Die Aufwachphase sollte ebenfalls nicht abrupt erfolgen. Wir stellen die Kiste zunächst an einen nicht stark beheizten Raum. So nach und nach kommen die Tiere zum Vorschein und können in das Terrarium umgesetzt werden und hier wird dann langsam der "Frühling" simuliert, d.h. die Brennzeit der Beleuchtung wird langsam wieder gesteigert. Die Tiere sollten ebenfalls zum Ausgleich ihres Flüssigkeitshaushaltes ausgiebig gebadet werden.

Jeder macht im Laufe der Zeit seine eigene Erfahrung und entwickelt ein Gefühl dafür. Die Tiere selbst helfen einem dabei, da sie aufgrund ihres Verhaltens im Frühjahr, Sommer und Herbst zeigen, wo es "lang geht". Vergessen Sie bei der Durchführung der Winterruhe nie die wichtigsten Punkte wie Feuchtigkeit, Kühle und Dunkelheit, da Sie ansonsten das Leben und die Gesundheit Ihres Tieres aufs Spiel setzen.

Wir gehören eher zu den Schildkrötenhaltern, die damit recht locker und unverkrampft umgehen. Dennoch sollte man niemals vergessen, dass es sich um Reptilien handelt, die aus ganz anderen Naturbiotopen kommen und sich in keinster Weise an die klimatischen Bedingungen unserer Heimat gewöhnt haben, daran ändert auch nicht die Tatsache, dass es Nachzuchten sind, die hier aufgewachsen sind oder aufwachsen werden.



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